Empfang im Römer

Empfang im Römer am 17. September 2008 für polnische Gäste von „Zeichen der Hoffnung"

Sehr verehrte Frau Stadträtin Pölt, sehr verehrte Vertreter der Stadt Frankfurt, liebe Gäste aus Polen und liebe Freundinnen und Freunde von Zeichen der Hoffnung,

Als stellvertretender Vorsitzender von Zeichen der Hoffnung spreche ich den Dank an Frau Oberbürgermeisterin Roth für die Einladung zu diesem Empfang aus. Es ehrt uns, dass wir uns hier im Kaisersaal treffen, diesem geschichtsträchtigen Ort. Wir danken auch Ihnen Frau Polt für die guten Worte, die Sie gefunden haben. Und wir bedanken uns bei dieser Gelegenheit auch bei der Willy und Robert Pitzer Stiftung, insbesondere bei den Herren Haar und Clauss; denn diese Stiftung finanziert den Aufenthalt unserer polnischen Gäste.

Mein besonderer Dank aber gilt unseren polnischen Gäste selbst. Dafür dass Sie unsere Einladung angenommen haben und für das Vertrauen, das sie uns schenken; denn es ist keine Selbstverständlichkeit angesichts der Belastungen der deutsch-polnischen Geschichte, die auf unseren Beziehungen liegen.

Das Stichwort Vertrauen lässt mich nicht auf diesen ganzen Zeitraum sondern auf die letzten 60 Jahre zurückblicken. Wie war das eigentlich mit dem Ende des 2. Weltkrieges und der Zeit danach? Die Siegermächte hatten eine neue Ordnung in Europa geschaffen. Dazu gehörte die Westverschiebung Polens. Polen verlor seine Ostgebiete, deren Bewohner vertrieben und in den ehemaligen deutschen Ostgebieten angesiedelt wurden. Deutschland verlor seine Ostgebiete, deren Bewohner ebenfalls vertrieben wurden. Dazu wurde Deutschland geteilt und eine Mauer durch Europa gezogen. Wie ausgeklügelt war das von den Großmächten. Denn eins war gewiß: so würden Deutsche und Polen nie mehr Freunde werden. Aber wie man so sagt: erstens kam es anders und zweitens als man denkt.

Seit den fünfziger Jahren, und verstärkt nach den deutsch-polnischen Verträgen von 1970 und 1975, streckten Tausende von Deutschen und Polen zaghaft die Hand zum Nachbarn aus, ängstlich und unsicher, unter widrigen politischen Umständen. Und sieh da, die Gesten wurden erwidert. Man lernte sich kennen, es wuchsen Freundschaften, es wuchs Vertrauen. So rüttelte man zwar nicht an der Mauer durch die Landschaft und in den Köpfen, aber man pickte an ihr als Mauerspecht oder man untergrub sie als Wühlmaus.

Vertrauen ist eine wichtige Grundlage für Liebe, Freundschaft und Frieden. Es ermöglicht eine positive Sicht auf den anderen, ein Denken vom anderen her und damit ein nüchternes Herangehen an die Lösung von Problemen. Das wieder hat Folgen. Es hatte auch Folgen für die gemeinsame Zukunft von Polen und Deutschen.

  • Deutsche (viele aber längst nicht alle) begannen zu begreifen,
    • dass die Revision der Nachkriegsgrenze zwischen Deutschland und Polen ungerecht wäre,
    • dass die Mächte, von denen die Wiedervereinigung abhing, nur mitmachten, wenn Polen nicht der Leidtragende wäre
    • dass Wiedervereinigung und Anerkennung der Ostgrenze untrennbar verbunden seien.
  • Polen (vor allem Intellektuelle, von denen einige später in der Solidarnoszcz Einfluß nahmen) beschäftigten sich mit dem Deutschen Widerstand gegen die Hitler-Diktatur.

So sei die im Jahre 1970 veröffentlichte Biografie des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer von Anna Morawska genannt. Aber man beschäftigte sich auch mit den Schriften von Helmuth James von Moltke und dem Kreisauer Kreis. Tote warben um Vertrauen.

  • Dabei begann in Polen die Erkenntnis zu wachsen, dass gesicherte Grenzen und Befreiung aus dem sowjetischen Zangengriff nur zu erreichen sei, wenn Deutschland vereinigt würde.

Und so kam es, dass Polen sich 1990 als Beteiligter an den Verhandlungen der Siegermächte mit den beiden deutschen Staaten für die deutsche Einigung einsetzte und Deutschland die Oder-Neiße-Grenze anerkannte. Es wurde eine neue Staatenordnung in Mitteleuropa möglich, an die nur wenige Jahre vorher niemand gedacht hatte. Ja und wer hätte damals gedacht, dass man heute von Frankfurt nach Warschau ohne irgendeine Grenzkontrolle fahren könnte.

Wir sehen: Vertrauen im Kleinen schafft Vertrauen im Großen. Vertrauensbildung ist Friedensarbeit, und die kann die Welt verändern. Sie aus Polen und wir von Zeichen der Hoffnung haben daran ein wenig mitgewirkt. Vielen Dank!

Jürgen Telschow

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