Eckdaten zu Entstehung und Finanzierung des "Neuen Kreisau"

Eckdaten zu Entstehung und Finanzierung des "Neuen Kreisau"

1. Ereignisse

Vom 2. bis 4. Juni 1989 fand in Breslau ein internationales Seminar zum Thema "Christen in der Welt” statt. Man beriet über Kreisau und beschloß, dort eine Internationale Begegnungsstätte zu errichten. Mit einem Schreiben vom 4. Juni 1989 baten sechzehn Teilnehmer schriftlich das Außenministerium der Volksrepublik Polen um Unterstützung.

Nachdem die Öffentlichkeit über die Polenreise von Bundeskanzler Helmuth Kohl informiert war, schrieben Klaus Würmell und Jürgen Telschow am 6. November 1989 einen Brief an den Bundeskanzler und machten ihn auf dieses Projekt Kreisau aufmerksam.

Am 12. November 1989 feierten T. Mazowiecki und H. Kohl die Versöhnungsmesse in Kreisau. Am 14. November gaben sie eine gemeinsame Erklärung ab, dass sie die Errichtung einer Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Kreisau finanziell ermöglichen wollen.

Vom 1.-3. Dezember 1989 fand in Breslau das zweite Seminar "Christen in der Welt" statt. Hier wurde die Situation nach der Erklärung der beiden Regierungschefs erörtert und beschlossen, dass zur Realisierung eine Stiftung gegründet werden soll.

Am 8. Januar 1990 beantragte der Klub der katholischen Intelligenz (KIK) Breslau, um keine Zeit zu verlieren, beim landwirtschaftlichen Kombinat Schweidnitz, ihm den Schloß- und Parkkomplex Kreisau mit den Gebäuden zu übereignen.

Am 6. Februar 1990 schlossen KIK und Kombinat einen Vertrag zur Übereignung, in dem sich der KIK verpflichtete, innerhalb von 5 Jahren neue Wirtschaftsgebäude und Wohnungen für das Kombinat zu errichten.

Vom 4. bis 6. Mai 1990 fand in Berlin das dritte Seminar, nun Konferenz der Freunde Kreisaus statt. Hier wurde das Konzept für die Begegnungsstätte beraten und beschlossen. Zugleich fanden zweitägige Beratungen über die zu gründende Stiftung und ihre Satzung statt, an denen je ein Vertreter der Außenministerien in Berlin und Warschau, ein Breslauer Notar und für die Kreisaufreunde M. Czaplinski und J. Telschow teilnahmen. Am Ende stand eine von dieser Gruppe erarbeitete Stiftungssatzung. Dieser Entwurf wurde in Abstimmung mit den Regierungen beider Länder weiter beraten. Danach sah die Stiftungssatzung in § 6 vor, dass die Stiftung als eigene Tätigkeitsfelder u.a. eine Internationale Jugendbegegnungsstätte und eine Gedenkstätte gründen und unterhalten soll.

Am 27. Juni 1990 erhielt der KIK das Eigentum am Hofkomplex Kreisau und ein Erbrecht an weiteren Flächen.

Am 9. Juli 1990 erklärte der KIK notariell seinen Willen zur Gründung einer Stiftung Kreisau.

Mit diplomatischen Noten vom 27. Juli und 20. August 1990 vereinbarten beide Regierungen u.a. folgendes:

1. Beide Regierungen unterstützen die Schaffung und die Tätigkeit der Internationalen Jugendbegegnungsstätte, im folgenden IJBS genannt, die in Kreisau auf dem Gelände des früheren Gutes von Helmuth James von Moltke errichtet wird (Ziff.1 Abs. 1).

3. Die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, im folgenden "Stiftung" genannt, die vom Klub der Katholischen Intelligenz in Breslau geschaffen worden ist, errichtet die IJBS. Zur Bewirtschaftung und Leitung der IJBS gründet die Stiftung eine Institution mit eigener Rechtspersönlichkeit, die nach Möglichkeit steuerbefreit ist. (Ziff. 3 Abs. 1)

5. Die Errichtung der IJBS und ihre Tätigkeit werden wie folgt finanziert (Ziff. 5):

a. 1 Die Errichtung der IJBS wird als vorrangiges Projekt aus dem zur Rückzahlung des Finanzkredits von 1975 (Jumbo-Kredit) zu
schaffenden Zloty-Fonds finanziert.
Ein Teil der Baukosten (bis zu 23 vom Hundert) an den unter
Denkmalschutz stehenden Objekten wird der Stiftung erstattet.
b. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigt, aus dem Zloty-Guthaben ihrer Botschaft in Warschau 1990 einen Beitrag zur Finanzierung der Bausicherungsarbeiten zur Verfügung zu stellen.
c. Die laufenden Unterhalts- und Betriebskosten der IJBS werden aus eigenen Einnahmen bestritten. Eigene Einnahmen sind in erster Linie aus Teilnehmergebühren zu erwirtschaften.

- Am 28. August 1990 sicherte der deutsche Botschafter Zahlungen zur Finanzierung der Sicherungsarbeiten zu.

- Am 8. November 1990 wurde die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung in das Stiftungsregister in Warschau eingetragen.

- Am 17.Januar 1991 erfolgte die Übertragung durch notariellen Akt und die Übergabe der Kreisauer Liegenschaften vom KIK auf die Stiftung Kreisau.

- Am 4.Dezember 1991 reichte die Stiftung Kreisau den Förderungsantrag bei der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit ein.

- Am 21./23. März akzeptierte die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit das Projekt und sagte die Förderung zu.

- Am 30. Juni 1993 wurde in Ausführung von Ziff. 3 des Notenwechsels die Aktiengesellschaft "IJBS S. A." gegründet.

- Am 16. Mai 1994 wurde die Aktiengesellschaft registriert.

- Am 1.2.1999 übernahm die Stiftung Kreisau die Geschäfte der Aktiengesellschaft, nachdem die Gesellschafterversammlung der Aktiengesellschaft zuvor schon die Liquidation der Gesellschaft beschlossen hatte.

II. Erläuterungen
1. Die Stiftung Kreisau ist Eigentümerin des Gutshofes mit kleinen anliegenden Flächen und des Grundstücks, auf dem das Berghaus steht. An Teilen des Kapellenberges (Friedhof) besteht ein Dauernutzungsrecht auf 99 Jahre. Weitere Flächen sind gepachtet.

2. Die Bundesrepublik Deutschland ist ihrer Verpflichtung aus dem Notenwechsel, Gelder für Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, umgehend nachgekommen. Nach meiner Erinnerung wurden umgerechnet 200.000,DM ausgezahlt.

3. Die Restaurierung der Gebäude im Gutshof und des Berghauses wurde, ausgenommen den Speicher, komplett von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit finanziert. Hierbei war die Stiftung Kreisau als Eigentümer Bauherr und erhielt gegen Einzelabrechnung die Kosten erstattet.

4. Der Speicher wurde von der Stiftung Kreisau mit Geldern, die der Verein der Freunde und Förderer der Europäischen Akademie Kreisau gesammelt hatte, aufgebaut. Über eine Restsumme läuft derzeit noch ein Kredit. Wie der Vereinsname zum Ausdruck bringt, war der Zweck dieser Spenden nicht die Unterstützung der IJBS sondern der übrigen Arbeit der Stiftung Kreisau; und zwar in der Weise, dass über das Gästehaus eine Dauereinnahme geschaffen werden sollte.

5. Der polnische Staat hat sich aus Denkmalpflegemitteln nicht an der Restaurierung der Gebäude beteiligt. Interessanter Weise besagt der Notenwechsel ausdrücklich, dass solche Gelder an die Stiftung Kreisau gehen sollen und nicht an den "Zloty-Fonds".

6. Die im Notenwechsel enthaltene Verpflichtung zur Gründung einer Betriebsgesellschaft für die IJBS ist umgesetzt worden, hat aber erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Folge gehabt. Da Stiftung und Gesellschaft steuerlich wie zwei Kaufleute betrachtet wurden, wurde der Leistungsaustausch zwischen beiden mit der Mehrwertsteuer belegt. Dies hatte zur Folge, dass die IJBS AG zusätzlich ca. 300.000,- Zl. Steuern zu zahlen hatte, die sie nicht erwirtschaften konnte. Da die beiden Regierungen, die dies vereinbart hatten, sich nicht in der Lage sahen, diese strukturbedingten Mehrkosten zu tragen, musste die AG in Liquidation gehen. Andernfalls wäre es zu einem Konkursverfahren gekommen. Hinter der Formulierung des Notenwechsel, dass diese Gesellschaft möglichst steuerbefreit sein solle, stand offenbar die irrige Auffassung, dass die Gemeinnützigkeit auch von Mehrwertsteuer befreit. Dies wäre aber auch in Deutschland nicht der Fall gewesen.

7. Im Notenwechsel findet sich auch noch eine andere Fehleinschätzung, wenn er festhält, dass die laufenden Kosten vor allem mit Teilnehmergebühren finanziert werden sollen. Als Vertreter Kreisaus habe ich bereits im Sommer 1990 in einem Gespräch im Auswärtigen Amt die Auffassung vertreten, dass eine solche Bedingung nicht einmal von entsprechenden Jugendeinrichtungen in Deutschland erfüllt werden könnte. Inzwischen zeigt sich, dass die IJBS in ihrem laufenden Betrieb schon von der Stiftung Kreisau quersubventioniert wird. Nennenswerte Finanzmittel zur Bauunterhaltung können überhaupt nicht erwirtschaftet werden. Der bauliche Zustand führt so jedem Besucher vor Augen, wie schlecht die IJBS finanziert ist.

III. Folgerungen
1. Die Gebäude des Gutshofes Kreisau und das Berghaus gehören der Stiftung Kreisau und die IJBS ist ein Tätigkeitsbereich dieser Stiftung.

2. Die Regierungen haben für die Restaurierung des Gutshofes Zuwendungen an die Stiftung Kreisau vereinbart und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit hat ihre Zuwendungen an die Stiftung Kreisau gezahlt.

3. Es hat sich gezeigt, dass die von den Regierungen vereinbarte Betriebsgesellschaft steuerlichen Verpflichtungen in beträchtlicher Höhe unterlag, deren Erfüllung nicht erwirtschaftet werden konnte und die nicht entstanden wären, wenn die Stiftung Kreisau die IJBS selbst betrieben hätte.

4. Die vergangenen Jahre haben aber auch gezeigt, dass eine Jugendbegegnung der Art, wie sie im Augenblick betrieben wird, auf dem von den Regierungen vorgesehenen Finanzierungsweg nicht möglich ist. Auch werden bei der derzeitigen Finanzierung die Gebäude des Gutshofes Kreisau und das Berghaus verfallen, weil keine ausreichenden Mittel für die Bauunterhaltung zur Verfügung stehen.

5. Das Bemühen der Regierungen, den Gutshof Kreisau zu erhalten, der Jugendbegegnung nutzbar zu machen und dafür eine umfangreiche und teure Erstinvestition zu finanzieren, droht damit an den Folgekosten zu scheitern.

6. Eine solide Finanzierung der IJBS wird deshalb, wie jüngste Berechnungen ergeben, ohne die Dauerförderung der Regierungen, und in einem größeren Umfang, als bisher von vielen gedacht, nicht möglich sein.

7. Der Wunsch der Bundesregierung, eine zusätzliche Förderung strikt auf die IJBS zu begrenzen, lässt sich nach den mit der Aktiengesellschaft gemachten Erfahrungen nicht auf dem Weg über eine neue Betreibergesellschaft verwirklichen, weil hierdurch weitere strukturbedingte Kosten entstehen würden. Diesem Anliegen sollte aber durch eine saubere buchhalterische Trennung der IJBS von den anderen Tätigkeitsbereichen der Stiftung Kreisau Rechnung getragen werden können.

Frankfurt am Main, den 10. Februar 2009 Jürgen Telschow

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