Evangelische Theologen in der Paulskirchenversammlung und Frankfurter Predigten zur dieser

Vortrag von Jürgen Telschow vor dem Evangelisch-lutherischen Predigerministerium am 16. März 2023

1. Die Vorgeschichte der Paulskirchenversammlung

Die Paulskirchenversammlung ist kaum zu verstehen ohne ihre Vorgeschichte in der Zeit nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft, dem sogenannten Vormärz. Diese Jahrzehnte waren durch eine große Freiheitssehnsucht der Bevölkerung, wiederkehrende Unruhen und in Frankfurt kirchliche Reformen geprägt. Dabei muss man jedoch politisch unterscheiden. Es gab die Reformer, und es gab die Revolutionäre. Die einen beschritten den Weg durch die Institutionen mit dem Ziel der Mo-narchie demokratische Formen abzuringen. Die anderen waren überzeugt, dass das Ziel einer deut-schen Republik nur mit Gewalt zu erreichen sei. Scheitern taten beide: die Reformer mit der Natio-nalversammlung, die Revolutionäre im bewaffneten Kampf gegen die Staatsgewalt.1 Staatsgewalt, das waren viele große und kleine Territorien und einige Freie Städte. Seit dem Wiener Kongress 1814/15 waren sie an Stelle des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Deutschen Bund miteinander verbunden. Dieser war weder Staat noch Staatenbund, sondern ein Fürstenbund. Seine Mitglieder waren vom Kaisertum bis zur Landgrafschaft Hessen-Homburg, 41 autonome Herrschaften. Wichtigstes Organ war die permanente Bundesversammlung mit Sitz in Frankfurt am Main.

Die Französische Revolution von 1789 mit ihrer Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlich-keit lag 1848 nur wenige Jahrzehnte zurück. Und die Wiederherstellung der politischen Verhältnisse mit dem Wiener Kongress änderte an diesen Forderungen nichts. Symbolisch dafür war das Wart-burgfest 1817. Zur Erinnerung an das 300jährige Jubiläum der Reformation trafen sich am 18. und 19. September 1817 etwa 500 Studenten evangelischer Universitäten auf der Wartburg. In der Fest-veranstaltung ging es vor allem um die staatliche Zerrissenheit Deutschlands und die Forderung nach bürgerlicher Freiheit. Dann sah man auf dem benachbarten Wartenberg mehrere Feuer, die Landsturmmänner in Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig vom 16.-19.10.1813 angezün-det hatten. Man schloss sich ihnen an und verbrannte zusammen mit symbolischen Bücherballen einen Zopf, einen Korporalstock und einen Schnürleib als Symbole der Unfreiheit und der Un-gleichheit. Im Nachhinein wurde aber erst ein Programm mit den Forderungen der beteiligten Stu-denten und Professoren formuliert: deutsche Einheit, konstitutionelle Monarchie, Gleichheit und Abschaffung von Geburtsvorrechten, Rede- und Pressefreiheit u. a. Das sollte von nun an bis 1848 immer wieder gefordert werden.

Bemerkenswert, aber nicht zufällig, ist die Verbindung von Reformation und politischen Forderun-gen der Gegenwart. So mancher sah hinter der Monarchie dasselbe autoritäre System, das Luther schon in der katholischen Kirche bekämpft habe. Das Priestertum aller Gläubigen wurde als Be-gründung von Gleichheit und Freiheit herangezogen. Allerdings gab es auch andere Stimmen. Die viel verehrten Ernst Moritz Arndt und Turnvater Jahn, beide evangelische Theologen, beharrten auf der Monarchie als gottgewollter Obrigkeit. In dieser Athmosphäre ermordete am 23. März 1819 der Theologiestudent Karl Sand den russischen Staatsrat August Kotzebue, weil er ein Gegner der be-ginnenden Freiheitsbewegung war. Und vom 8. bis 12. August 1819 gab es die sog. Hep-Hep- Kra-valle. In etwa 80 deutschen Städten, auch in Frankfurt, gab es Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung, weil diese die Emanzipation erhalten sollte. Die Regierungen sahen das als den Ver-such einer Revolution an und reagierten regide mit den sog. Karlsbader Beschlüssen, die am 20. September 1819 von der Bundesversammlung abgesegnet wurden. Sie besagten: Verbot der Bur-schenschaften, Schließung der Turnplätze, Aufhebung der Pressefreiheit, Presse-Zensur, Überwa-chung der Universitäten und Berufsverbot für liberale Professoren. Damit begannen die sog. „De-magogenverfolgungen“. Trotzdem gab es in den folgenden Jahren in Deutschland immer wieder „Unruhen“: 1830 in Braunschweig, Kurhessen und Sachsen, 1844 in Schlesien der Weberaufstand, 1845 in Leipzig, 1847 den Kartoffelkrieg in Berlin. Immer wieder auch animiert durch Aufstände im Ausland: 1830 in Frankreich und Belgien, 1830/31 in Polen und Galizien. Aber auch als Folge von wiederkehrenden Hungersnöten. In den 40er Jahren wurden nicht weniger als 193 Hungerun-ruhen gezählt, u.a. nach sehr kalten Sommern und Wintern in den Jahren 1845 und 1846. Von 1844 bis 1849 grassierte zudem die Kartoffelfäule. So kamen von den Universitäten, den Turnerschaften und der beginnenden Arbeitbewegung immer wieder Rufe nach einer grundlegenden Veränderung der politischen Verhältnisse. Und es entwickelten sich viele unterschiedliche Netzwerke von Refor-mern und Revolutionären.

Dies versuchten verschiedene Territorien dadurch zu beruhigen, dass sie eine konstitutionelle Mo-narchie errichteten, sich also eine Verfassung gaben und dabei auch ein Parlament in Form der Landtage: Bayern 1806, Hannover 1815, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen 1831. Doch fixierten diese Verfassungen vor allem die Rechte des Monarchen. Und die Landtage waren von Zusammensetzung, Aufgaben und Kompetenzen her nicht mit Parlamenten zu vergleichen. Auch war man noch weit vom allgemeinen und gleichen Wahlrecht entfernt. Denn das Wahlrecht hing z. B. in den Städten am Bürgerrecht oder war von den Einkommensverhältnissen abhängig. In Hessen musste man jährlich mindestens 100 Gulden Steuern zahlen, um wählen zu dürfen. So wuchs die Unzufriedenheit in der Bevölkerung trotzdem. Die Forderung nach Einheit, Freiheit und Gleichheit wurde immer stärker, wofür das Hambacher Fest von 1830 ein Symbol wur-de. Mehr als 25.000 Menschen demonstrierten auf dem Hambacher Schloss gegen „die Tyrannei der Fürsten“ oder „die Despotie der Beamten“ und für die nationale Einheit und die Republik.

Aber um was ging es konkret? Ein Blick auf den Verfassungsentwurf von 1849 zeigt das. 67 Para-graphen regelten die Kompetenzen des Deutschen Reiches, 55 den Staatsaufbau und 59 die „Grundrechte des deutschen Volkes“. Das zeigt die große Bedeutung der Grundrechte, die ja Frei-heit und Gleichheit regelten. Und so sind es dann das Aufenthaltsrecht, das Recht Liegenschaften zu erwerben und den Beruf zu wählen; die Auswanderungsfreiheit, die Freiheit der Person, d. h. Ver-haftung nur mit richterlicher Anordnung, Begrenzung des Rechts auf Hausdurchsuchung, Mei-nungsfreiheit, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit, Versammlungsfreiheit, Aufhebung der Patrimonial-gerichtsbarkeit und der grundherrlichen Polizei, Unabhängigkeit der Richter, um nur einige zu nen-nen. Das alles gab es nicht oder nicht überall.

2. Das Jahr 1848

Am 24. Februar 1848 gab es in Frankreich die Februarrevolution mit dem Sturz des Kaisers und der Ausrufung der Republik. Am 26. Februar beantragte Heinrich von Gagern im Hessischen Landtag die Schaffung einer Nationalrepräsentanz und eines interimistischen Bundeshauptes. Zeitgleich be-gehrten im Odenwald und im Schwarzwald die Bauern auf. Am 4. März revoltierten die Münchner. Am 5. März trafen sich in Heidelberg 51 Oppositionelle; zum Teil Reformer, die in Landtagen sa-ßen und Kontakt untereinander hatten, wie Heinrich von Gagern, Karl Theodor Welcker und Fried-rich Daniel Bassermann; zum Teil Revolutionäre wie Gustav von Struve und Friedrich Hecker aus Baden. Sie beschlossen Schritte zur Bildung einer Nationalversammlung. Dazu setzten sie einen Siebener-Ausschuss ein, der zu einem Vorparlament in Frankfurt einladen sollte. Aus Frankfurt wa-ren die Rechtsanwälte Friedrich Siegmund Jucho und Georg Christoph Binding dabei2 . Sie sollten das Notwendige in Frankfurt organisieren. Am 13. März gab es Unruhen Berlin, in den nächsten Tagen Revolution in Wien mit dem Sturz Metternichs, des Allmächtigen. Am 18. März brach spon-tan die Revolution in Berlin mit Straßenkämpfen aus. In dieser brenzlichen Situation versuchte der Deutsche Bund über seine Bundesversammlung, Schlimmeres dadurch zu verhindern, dass deutsch-landweit am 4. März Pressefreiheit und am 27. März Vereinigungsfreiheit gewährt wurden. Außer-dem beraumte man am 30. März Wahlen zu einer Nationalversammlung an, um das Aufbegehren zu kanalisieren. Diese wurden dann auch an unterschiedlichen Terminen und mit dem jeweils gelten-den Wahlrecht durchgeführt. Da es noch keine politischen Parteien gab, setzten sich hier in der Re-gel bekannte Persönlichkeiten durch, die zudem auch noch in der Lage sein mussten, eine längere Zeit fern der Heimat und der dortigen Verpflichtungen sein zu können. So kam es zu einem oppo-sitionell geprägten Akademiker-Parlament, ohne dass die Bundesversammlung aufgehoben wurde. Eine ganze Anzahl der Abgeordneten hatte in den Freiheitskriegen gegen Napoleon gekämpft. Viele Männer standen erfolgreich mitten im Leben. Die Staatsbediensteten hatten höhere Positionen inne. Nicht wenige waren adlige hohe Offiziere oder Gutsbesitzer. Es ist aber auch nicht zu verkennen, dass verschiedenste Regierungen hochrangige Vertreter entsandten. So kamen aus Preußen zwei Minister und der preußische Gesandte in London. Man müsste eingehender forschen, wer die Auf-gabe hatte, im Regierungssinne Einfluss zu nehmen, und wer aus eigener Überzeugung an Refor-men mitarbeiten wollte.

Zunächst trafen sich am 31. März 1848 in Frankfurt 511 Männer zum sog. Vorparlament. Sie berei-teten die Beratungen der Nationalversammlung vor, wozu vor allem ein erster Entwurf einer Verfas-sung gehörte. Dabei wurde deutlich, dass das dominierende liberale Bürgertum keine Kompromis-se mit den radikalen Republikanern fand. So verließ der Badener Friedrich Hecker mit 79 Anhän-gern die Versammlung. Das war eine entscheidende Weichenstellung. Die energischsten Vertreter einer Republik nahmen nicht mehr an den weiteren Beratungen teil. Der Historiker Veit Valentin hat im Hinblick auf die nun folgenden Beratungen von einem „liberalen Bürgerkrieg“ gesprochen3, weil nur noch die verschiedenen Richtungen der Liberalen miteinander rangen. Da Hecker auch in Ba-den kein Gehör fand, initiierte er im April den gewaltsamen Aufstand, den er nach kurzem Kampf mit dem Militär verlor. Die gemäßigten Kräfte dagegen strebten so etwas wie eine „friedliche Re-volution“ an. Der einstmals bekannte Historiker Veit Valentin hat diese deshalb auch „Die humane Revolution“ genannt. Sie hat „keine Guillotine errichtet und keine außerordentlichen Gerichte rein politischer Natur eingesetzt. Außer dem Fürsten Metternich ist niemand in die Verbannung ge-schickt worden; keine Vermögensbeschlagnahme ist ausgesprochen worden, kein Gehalt gesperrt, keine Pension gesperrt oder einbehalten worden.“4 Das galt allerdings nur für das Handeln der Re-volutionäre, nicht für das Handeln der Regierungen vor und nach der Nationalversammlung.

Die Nationalversammlung hatte 585 Sitze. Durch das Ausscheiden Einzelner und die zum Zuge kommenden Nachrücker ergibt sich insgesamt eine Anzahl von etwa 800 Abgeordneten. Präsent in den Sitzungen waren i. d. R. 400-450. Sie kamen aus dem ganzen Bundesgebiet von Tilsit im Nord-osten bis zum heute selbständigen Luxemburg im Westen, von Flensburg im Norden bis nach Rove-reto in Südtirol und Triest. Schaut man sich das Lebensalter an, so waren knapp 200 von ihnen vor 1800 geboren, also älter als 48 Jahre und knapp 600 danach, also jünger als 48 Jahre. Bemerkens-werte Namen trugen Eduard Simson, der spätere Präsident des Reichsgerichts; Friedrich Ludwig Jahn, der Turmvater Jahn; der Dichter Ludwig Uhland; Jacob Grimm, einer der beiden Grimmbrü-der und der „Göttinger Sieben“ und der National- und Freiheitsdichter Ernst Moritz Arndt. Die Ka-tholische Kirche war mit 28 Geistlichen und 9 aktuellen oder künftigen Bischöfen vertreten. Sie agierten, anders als die evangelischen Geistlichen, im Sinne des politischen Katholizismus für die Interessen der katholischen Kirche. Beda Weber, Mitglied der Nationalversammlung, wurde noch 1848 Frankfurter Stadtpfarrer.

Auf evangelischer Seite muss man differenzieren.5 Wenn man als evangelische Theologen all jene versteht, die Theologie studiert hatten, dann kommt man auf 56 Personen. Allerdings waren nur 14 Abgeordnete in einem Pfarramt, darunter nicht ein einziger hoher Geistlicher. Zumindest war ein Synodalpräsident Mitglied. 42 evangelische Theologen waren als Lehrer, auch Hochschullehrer, oder in anderen Berufen tätig, teils weil sie keine Pfarrstelle gefunden hatten, teils weil das von vornherein ihre Absicht gewesen war. 25 Abgeordnete waren Pfarrerssöhne, 7 Abgeordnetenmütter Pfarrerstöchter. Das evangelisch-kirchliche Millieu war also ganz gut vertreten war. Nur zur Abrun-dung sei noch erwähnt, dass immerhin 11 Abgeordnete jüdischer Herkunft waren.

Fragt man, wo die Theologen theologisch standen, dann nennt Homrichhausen für die evangeli-schen Mitglieder der Nationalversammlung 5,3% Rationalisten, 42% Vermittlungstheologen und 39% Anhänger von Schleiermacher und Hegel.6 Fragt man, wo die evangelischen Theologen poli-tisch standen, dann muss man schauen, welchen Gruppierungen sie sich zugehörig fühlten. Es gab ja noch keine politischen Parteien. Aber es bildeten sich Gruppen, die gemeinsame Ziele verfolgten. Sie trafen sich in Cafés, Gastwirtschaften oder Hotels und wurden nach diesen benannt. Grob unter-scheiden kann man sie in je eine stärkere linke und rechte Fraktion in der Mitte und je eine radika-lere linke und rechte Fraktion am Rande. Aber es gab viele Differenzierungen. Daraus ergeben sich für die evangelischen Theologen folgende Zahlen: Dem linken Flügel (Deutscher Hof, Donners-berg) wurden 7 Abgeordnete zugerechnet und der linken Mitte (Württemberger Hof, Westendhall, Augsburger Hof, Nürnberger Hof) 16 Abgeordnete. Der rechten Mitte (Casino, Landsberg) wurden 14 Personen zugerechnet und einer dem rechten Rand (Café Milani, Pariser Hof ). Damit waren die Linke stärker als die Rechte vertreten. Aber 18 dieser Abgeordneten ließen sich auch keiner Grup-pierung zurechnen. Die Differenzen waren schroff. Aber sie waren doch alle Liberale, d. h. sie woll-ten die Monarchie nicht abschaffen, sondern sie liberalisieren. Die Vertreter der preußischen Wahl-kreise waren zudem durch die politisch-religiöse Erweckung der Freiheitskriege geprägt. Die christ-liche Erfahrung der Freiheit als Kinder Gottes wurde verbunden mit dem Wunsch nach politischer Freiheit, aber verwirklicht in einer ruhigen Entwicklung ohne Konfrontation.7 Man kann auch da-von sprechen, dass die Pfarrer vom Lande wie aus der Stadt so etwas wie Christliche Zeitgenos-senschaft praktizierten und deshalb auch gesellschaftliche Verantwortung übernahmen.8

Schaut man sich die Zusammensetzung noch unter einem anderen Aspekt an, dann hatten mindes-tens 14 Abgeordnete vor 1848 wegen aufrührerischer Umtriebe in Gefängnis oder Zuchthaus geses-sen. 30 mussten nach Erstarken der alten Kräfte ins Ausland fliehen. Dabei waren ja die echten Re-volutionäre, die die radikalen Veränderungen wollten, die die Revolte auf die Straße getragen hatten und auch Gewalt angewendet hatten, wie die Badener Hecker und Struve schon längst nicht mehr dabei. Nicht wenige andere blieben aber auch nach dem Scheitern der Nationalversammlung im Rahmen der gegebenen Strukturen weiter politisch aktiv und auch Mitglieder von Parlamenten.

3. Persönlichkeiten

Für die Auffassungen, die sie in der Nationalversammlung vertraten, sollen hier einige einige wenige evangelische Theologen etwas ausführlicher betrachtet werden.

Dr. phil. Ernst Moritz Arndt (1769 - 1860), Professor in Bonn

Arndt war der große alte Mann der deutschen Freiheitsbewegung. Auf Rügen als Sohn eines früh-eren Leibeigenen geboren, studierte er Theologie, Philosophie u. a. und war zunächst auch Predi-gerkandidat dort. Schnell machte er sich als Schriftsteller einen Namen und war dann Professor für Geschichte und Philosophie in Greifswald. Wegen seines Kampfes gegen Napoleon und dann als Opfer der Demagogenverfolgungen führte er ein unstetes Leben und wurde schließlich Professor für Geschichte in Bonn. Joachim Proescholdt hat Arndt mit folgenden Worten charakterisiert: „In sei-ner Veröffentlichung „Geist der Zeit“ galt sein besonderer Kampf Napoleon und dem Gedankengut der Französischen Revolution. Arndt sah hier die Verkörperung des reinen Rationalismus und über-steigerter Aufklärung. Ihm schwebte ein romantisch-mittelalterliches, geeintes Deutschland mit ständischer Volksfreiheit vor. … In Kampfschriften und -liedern malte er sein Ideal einer germa-nisch-christlichen Völkergemeinschaft. Diese Gemeinschaft wünschte er sich auch für die christli-che Kirche. ... Unbewusst förderte Arndt auf diese Weise das Aufkommen eines deutschen Nationa-lismus in neoromantischer Färbung, der in fataler Weise von den Nationalsozialisten aufgenommen und mißbraucht wurde.“9 In der 52. Sitzung am 1.8.1848 äußerte er sich zur Forderung nach Gleichheit: Ich alter Plebejer, der ich den Streit gegen den Adel und zwar den Streit gegen die Mißbräuche mit angefangen habe, die der Adel gegen die Bauernschaft in meiner Heimat geübt, ich sollte gleichsam durch mein Gemüt für den Adel sprechen; aber, wie ich glaube, ist es eine alte Lehre, daß wir alle Adams Kinder sind, daß wir alle Eines Stammes, Eines Blutes, Einer geistigen Würdigkeit sind. Ich erinnere an den Scherz, den der große Plitt in seiner frühesten Jugend über die englische Nobility fliegen ließ...: Wenn Gott alles zweckmäßig gemacht hätte, so gäbe es gleichsam zwei Menschengeschlechter; das eine Geschlecht wäre geschaffen worden mit Sporen, und der andere Teil mit dem Sattel geboren“.10

Zum Thema Staat und Kirche

Ein umstrittenes Thema war das künftige Verhältnis von Staat und Kirche. Auf eine radikale Tren-nung aus waren kirchenfeindliche Abgeordnete, teilweise aber auch Katholiken, die ihre Kirche aus der Abhängigkeit vom Staat befreien wollten. Evangelische Abgeordnete aus katholisch dominier-ten Regionen drängten auf Gleichbehandlung der Konfessionen. Insgesamt fürchteten evangelische Abgeordnete aber eher, dass die Trennung von Staat und Kirche der Kirche schaden könne.

Johann Friedrich Christoph Bauer (1803 - 1873), Dekan in Bamberg, als Sohn eines Lehrers und Stadtkantors in Erlangen geboren, Studium der Theologie, ab 1838 in Bamberg, in der Diaspora, wo er unter der intoleranten katholischen Mehrheit und der ebenso eingestellten Verwaltung litt. Ne-ben seinen pfarramtlichen und Dekansverpflichtungen saß er im städtischen Armenpflegerat und im bayrischen Landtag. Ihm ging es um die Durchsetzung der verfassungfsmäßigen Gleichbehandlung der Konfessionen und um die „Teilnahme der Geistlichen an der Armenpflege in ihrer Gemeinde“, wie eine Schrift von 1841 hieß. Politisch gehörte er zur rechten Mitte. In der 64. Sitzung am 22.8. 1848 äußerte er sich so: „Gestatten Sie mir, einem einfachen protestantischen Geistlichen, dem ein-zigen in diesem Lande, der hier in Ihrer Mitte zu sitzen die Ehre hat, gestatten Sie mir einige Wor-te...: man fordert Freiheit für die Kirche, man fordert sie unbedingt und unbeschränkt, wie nach au-ßen so nach innen; man fordert völlige Trennung vom Staat, man fordert eine völlige Unabhängig-keitserklärung. Alles, was Glaubens- und Gewissensfreiheit, was die innere freie Selbstentfaltung einer Kirche oder auch einer kleineren Religionsgemeinschaft fördern und sichern mag, das wird bei mir stets, so weit meine Kraft reicht, alle Unterstützung finden; denn auch mir gilt sie, so viel Menschliches und Unvollkommenes auch ihr anklebt, als die Trägerin, als die Pflegerin, als die Bewahrerin einer ewigen und höheren Wahrheit, die vom Himmel stammt, und darum soll sie nicht zertreten werden. Auch mir gilt sie als eine Gemeinschaft der Gläubigen, die in der Gemeinschaft des Bekenntnisses und seiner Betätigung den höchsten Segen in sich schließt.“11 Aus seinen Erfah-rungen mit dem bayrischen Katholizismus forderte er dann aber: „Darum wende ich mich an den Staat, aber den Rechtsstaat, den wir zu schaffen im Begriff sind, der Jeden, der in seinem Schoße lebt, es sei ein Einzelner oder ein Verein, vor Rechtsverletzung schützen muss, auch vor Übergriffen der Kirche und der Kirchengewalt12.

Dr. theol.Carl Heinrich Jürgens (1801 - 1860), Pfarrer in Stadtoldendorf, Jürgens erlebte in seiner Gemeinde ein Problem, das in Norddeutschland verbreitet war. Wegen sinkender Ertragsslage gaben immer mehr freie Bauern ihre Höfe auf. Sie wanderten aus oder arbeiteten als Tagelöhner auf ihren eigenen Äckern. So kam Jürgens früh zu der Überzeugung, dass vor allen dringend notwendigen Reformen die Verwirklichung der unveräußerlichen Menschenrechte in Form der Grundrechte stün-de. Er identifizierte sich mit dem einfachen Volk und setzte sich für dieses gegen die Großgrundbe-sitzer ebenso ein wie gegen die aus seiner Sicht unzulässige Einflussnahme staatlicher Stellen auf kirchliche Angelegenheiten. Das brachte ihm immer wieder Probleme mit dem Konsistorium in Braunschweig und führte 1851 zu seinem Ausscheiden aus dem Pfarrdienst und der Tätigkeit als Journalist. Politisch gehörte er zur rechten Mitte bzw. zum rechten Flügel. In der 63. Sitzung äu-ßerte er sich am 21.8.1848 so: Unabhängigkeit vom Staat ist mir nicht gleich absoluter Trennung vom Staat … Eine Religionsgemeinschaft, die bei Anordnung und Verwaltung aller ihrer Angelegen-heiten einer Beschränkung nicht unterworfen ist, also im freien und vollen Genuß ihrer unveräußer-lichen Gesellschaftsrechte sich befindet, kann aus freiem Antriebe vermöge ihrer Unbeschränktheit auch mit dem Staate allerdings sich in Beziehung setzen, wechselseitige Verhältnisse mit demselben vereinbaren, vermöge deren beide auf gewisse Weise verknüpft werden, eine absolute Trennung also nicht stattfindet, und unter welchen doch die Unabhängigkeit beider, z. B. durch die Widerruflich-keit solcher Verhältnisse, gewahrt bleibt.“13

August Emanuell Pfeiffer (1812 – 1854) geboren in Berlin als Sohn eines Kriegsrates im Außenmi-nisterium, nach dem Theologiestudium Lehrer am Predigerseminar in Wittenberg, dann Privatlehrer ab 1847 Pfarrer in Adamsdorf in der Neumark/ Brandenburg. Politisch stand er in der linken Mitte. Zu den Grundrechten äußerte er sich in der Sitzung der Nationalversammlung am 7.7.1848 so: „Es braucht hier wohl nur daran erinnert zu werden, mit welchen Waffen der Perfidie und Intoleranz, selbst unter der Maske eines Toleranzedikts, die neu sich bildenden deutschkatholischen Vereine, sowie die freien Gemeinden in der protestantischen Kirche, unterdrückt, ihr Gottesdienst hier und da gehindert, ja wohl sogar unmöglich gemacht ist … nirgends hat die Despotie des alten Polizei-staates sich so unerträglich gezeigt, als auf dem religiösen Gebiete, und deshalb mit Recht erwartet das deutsche Volk in diesen seinen Grundrechten eine ausdrückliche Bestimmung und Verwahrung gegen eine solche Unterdrückung, die es zugleich als tiefe Schmach fühlte… Wollte die Kirche sich doch erinnern, und zwar nicht etwa die katholische allein, sondern besonders auch der protestan-tische Pietismus, und die protestatische Hierarchie, wie sie so häufig dem Polizeistaat gedient, wie sie sein Prinzip des beschränkten Untertanenverstandes adoptierte, wo nicht gar selbst erzeugt hat, wie sie aus der Kirche eine Polizeianstalt des Glaubens gemacht hat.“14

Zum Thema Deutschlands Grenzen

Eine wichtige Frage war, in welchen Gebieten denn überhaupt zur Nationalversammlung gewählt werden dürfe. Nicht umstritten war in der Versammlung die Einbeziehung Schleswigs. Im Falle der preußischen Provinz Posen, einem Gebiet, das Preußen in den preußischen Teilungen erworben hat-te, das aber nicht dem Deutschen Bund angeschlossen war, entzündete sich der Konflikt an der Frage, ob man nicht den polnischen Staat wiederherstellen solle. Letztlich wurde der westliche Teil der Provinz mit überwiegend deutscher Bevölkerung einbezogen. In der Versammlung wirkte noch die Polenbegeisterung nach, die der polnische Aufstand gegen Russland 1830/31 in Deutschland hervorgerufen hatte.

Prof. Dr. theol. Christian Friedrich Wurm (1803 – 1859), geboren als Sohn eines Gymnasialprofes-sors, Studium der Theologie, Philosophie und Geschichte, nach Englandaufenthalt und journalisti-scher Tätigkeit ab 1833 Professor am akademischen Gymnasium in Hamburg, vielfältig politisch und kulturell engagiert, so auch als Unterstützer der schleswig-holsteinischen Bewegung. Politisch gehörte er zur linken Mitte. In der 15. Sitzung am 9.6.1848 äußerte er sich so: „Ich muss vor allen Dingen hier wiederholen…, dass ich mich nicht zu denjenigen zählen kann, welche im Rechte Deutschlands auf eine Vereinigung des gesamten, ungeteilten, untrennbaren Schleswig-Holsteins mit Deutschland ein zweifelhaftes und bestrittenes Recht erkennen möchten… Ich glaube, dass hier in der Paulskirche keiner ist, der … nicht fühlt, dass in diesem Augenblicke, wo die erste Frage der auswärtigen Politik an uns erwächst … in einer Weise aufzutreten, die mit der Würde der Nation sich nicht verträgt, dass dies allen fremden Nationen Veranlassung geben würde, Deutschland so zu beurteilen, wie sie es bis jetzt leider beurteilt haben.15 Das ist ziemlich verschwurbelt, obwohl ich den Satz schon gekürzt habe. Aber, was er meint, wird deutlich.

Ernst Louis Otto Nerreter (1809 1880), geboren in Guhrau/Schlesien, Studium der Theologie und Philosophie, Hauslehrer, ab 1836 Pfarrer und Oberpfarrer in Fraustadt/Provinz Posen. Politisch ge-hörte er in der Nationalversammlung zur rechten Mitte. In der Sitzung am 5.6.1848 äußerte er sich in der Posen-Frage so: „Will man nun Schleswig behalten, warum will man Posen zurückweisen? Bedenken Sie wohl, welche auffallende Inkonsequenz darin liegt. So wie Sie sagen: diese Teile Po-sens sind mit Unrecht genommen, und wir müssen sie zurückweisen, dann erklären Sie auch laut vor ganz Europa: wir haben Schleswig ebenfalls mit Unrecht aufgenommen, und unser Krieg gegen Dänemark ist ein völlig ungerechter. - Aber man will Polen Gerechtigkeit widerfahren lassen. … ge-gen das unglückliche, geknechtete Polen, gegen welches Deutschland ein Unrecht begangen hat, welches jetzt um jeden Preis gesühnt werden muss … Nein, wenn Deutschland heute erklärt, Polen soll frei sein, so werde ich mich darüber freuen … Aber soll Gerechtigkeit gegen die Polen geübt, und angefangen werden mit einer Ungerechtigkeit gegen die eigenen deutschen Brüder? Es ist aber die schreienste Ungerechtigkeit, wenn man 400.000 Deutsche fortstoßen will von der deutschen Freiheit, Ehre und Größe: himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn man sie an das Schicksal einer Nation ketten will, von welcher vorauszusehen ist, das sie erst nach langen blutigen Kämpfen zu einer friedlichen inneren Gestaltung kommen werde.“

Ein besonderer Fall

Von der zweiten Hälfte der siebziger Jahre bis Anfang der neunziger Jahre gab es eine besondere Beziehung zwischen dem Evangelischen Regionalverband und einzelnen Gemeinden in Frankfurt mit den lutherischen Kirchengemeinden in Ustron und Bielsko-Bialla im Teschener Land in Südpo-len. In diesem Gebiet, das im 19. Jahrhundert zu Österrreich gehörte, gibt es bis heute starke luthe-rische Gemeinden. Die zwei Genannten wurden in den schwierigen 80er Jahren materiell unter-stützt, und es gab darüberhinaus manchen Austausch.

Carl Friedrich Kotschy (1789 – 1856), geboren in Teschen als Sohn eines Gymnasiallehrers, Studi-um der Theologie und der Medizin, Studienreisen nach Frankreich, den Niederlanden und in die Schweiz, ab 1811 Pfarrer in Ustron.16 In der Nationalversammlung gehörte er zu den Alten und hing einer rationalistischen Theologie an. Die kirchliche Situation war wegen der katholischen Domi-nanz im Lande schwierig. Er veröffentlichte eine Schulfibel und nichtreligiöse Literatur in polni-scher Sprache und fiel damit in Wien negativ auf. Er schrieb Gedichte, Fabeln und Legenden, tex-tete Choräle und Schullieder und übersetzte Luthers Kleinen Katechismus ins Polnische. Durch eigene Blumenzucht wurde er ein anerkannter Berater für bessere Kultivierung und Bodennutzugng. Von der Nationalversammlung brachte er aus Frankfurt Obstbaumschösslinge mit. Das waren bei wie-derkehrenden Missernten und großer Nahrungsnot lebensnotwendige Maßnahmen für seine Ge-meindeglieder. Praktische Hilfe durch Strukturwandel vertrat er auch in Frankfurt. Er kämpfte vor allem für Glaubens- und Gewissensfreiheit. Politisch gehörte er in der Nationalversammlung als einer von zwei evangelischen Pfarrern zum linken Flügel. In der Nationalvesammlung äußerte er sich am 26.8.1848 so: „Ich bin in Österreich geboren noch unter dem Szepter Joseph‘s II., ewig-schönen Gedächtnisses, aber er hat auch die Worte des § 11 der Grundrechte des deutschen Volkes an die Stirn seines Staates gestellt, volle Glaubens- und Gewissensfreiheit, und wir, wir haben eben den Gedanken, den wir hier äußerten, bezahlt erstlich der gegenüberstehenden Geistlichkeit be-zahlt; dem Staat durch Verleugnung tausenfacher Art; wir durften uns, wenn wir auch klug und ge-scheit waren, nicht zeigen und sagen, wir könnten auch zum Amte gelangen; nein, es hieß, du bist Lutheraner, marsch mit dir. Das war damals die sogenannte Religionsfreiheit, durch Joseph II. er-stritten; man hat auch das Wort verändert und gesagt: Duldung, Toleranz…“.17

Adolph Ernst Theodor Berkmann (1802 - 1870), geboren in Waldmohr in der Pfalz als Sohn eines Pfarrers, Studium der Theologie, Erlanger Burschenschafter, Pfarrer in Einselthum/Pfalz, früher Liberaler, häufig verfolgt, verhaftet, 1850 endgültig amtsenthoben, Auswanderung in die USA, dort Farmer und Prediger. Als Nachrücker spät in die Nationalversammlung gekommen, erlebte das Rumpfparlament noch sechs Tage, wird im offiziellen Mitgliederverzeichnis gar nicht mehr er-wähnt, konnte aber noch eine Rede halten, am 16.6.1849 vor dem Rumpfparlament: Da erscholl der Ruf durch ganz Deutschland: Einheit und Freiheit, ein einiges großes Deutschland, ein Land der Kraft und Ehre! … Die Nationalversammlung hat die Vorkehrungen getroffen, daß ein einiges und großes Deutschland möglich werden könnte … Diejenigen, die es nicht annahmen, bilden die Klasse derer, in deren Adern von Geburt aus freiheitsfeindliches Blut fließt. Sie wollen dieses Werk mit allen Mitteln vernichten. … Dreifache Schmach dem Volk, das gegenüber seinen Drängern der Freiheit nicht würdig ist. Ehr verloren, alles verloren. Darum ergreifen wir die Waffen, die uns zu Gebote stehen, und sagen wir, wenn unser gutes Recht nicht anerkannt wird: Mordet uns, wir wol-len Freiheit oder Tod (stürmisches Bravo).“18

4. Predigten zur Parlamentszeit

Im Folgenden beziehe ich mich auf auf den früheren Pfarrer an der preußischen Gedandtschaft in Rom Ernst Schubert, der 1913 eine Analyse der evangelischen Predigten im Jahr 1848 veröffent-licht hat.19 Auch wenn man Zeittypisches beiseite lässt, gibt er doch interessante Informationen, so in der zusammenfassenden Analyse der möglichen theologischen Reaktionen auf die revolutionäre Bewegung und auf die Paulskirchenversammlung. Wir sehen in einer gewissen Nachfolge der durch den Pietismus modernisierten Orthodoxie die „Positiven“. Ihnen standen die „Rationalisten“ gegen-über, die den Glauben mit der Vernunft vereinbar machen wollten. Die guten Dinge aus beiden ver-binden wollten die „Vermittlungstheologen“. Folgt man Schubert, dann sind die begeisterten An-hänger politischer Reformen vor allem Rationalisten, während die politisch Reaktionären vor allem Orthodoxe/Positive waren. Zu der ersten Gruppe rechnete er in Frankfurt Gerhard Friederich und Konrad Kirchner. Beiden Gruppen warf er vor, dass sie Politik und Religion mit einander verqui-cken, nur eben die einen im Sinne des Fortschritts und die anderen im Sinne eines Festhaltens an den überkommenen Zuständen. Einer mittleren Gruppe, die zwar für den politischen Fortschritt eintritt, aber die Begleiterscheinungen der 1848 Revolution kritisiert, rechnet er Georg Eduard Steitz zu.

Zunächst zur Situation. Ab Februar 1848 überschlugen sich für die Frankfurter die Ereignisse. Die Februarrevolution führte in Frankreich zur Abdankung des Königs und zur Ausrufung der Republik. Am 3. März forderten die Frankfurter Liberalen und Radikalen unter Führung des Rechtsanwalts Reinganum von den Bürgermeistern: die Einberufung eines allgemeinen deutschen Parlaments, un-bedingte Pressefreiheit, Gleichheit ohne Rücksicht auf den Glauben, also auch für die Juden, die allgemeine Volksbewaffnung,und Amnestie für die politisch Verurteilten. Der Senat entsprach dem mit Ausnahme der Gleichstellung der Juden. Am 5. März wurden die Abgeordneten zum Vorpar-lament auf den 30. März nach Frankfurt eingeladen. Am 9. März wurde auf dem Bundespalais die schwarz-rot-goldene Fahne gehißt.

Am 12. März, kurz bevor in Berlin die Revolutioin ausbrach, predigte Pfarrer Konrad Kirchner in der Weißfrauenkirche über Joh. 8, 36, „So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei.“:20Freiheit ist das Losungswort der Zeit; es wird vernommen hier mit bangem Herzklopfen, dort mit ungestümer Lust. Unsere Zeit, die so viele Bande löst und Hindernisse entfernt, hat doch auch ein herbes Muß für die, welches es nicht zu begreifen vermögen. Aber gerade da, wo das öffentliche Leben der Völker einer glorreichen Wiedergeburt entgegengeht, ist um so mehr zu verhüten, daß Wehen eintreten, die statt das ersehnte Kind der Freude und des Heils das Grausen der Zerstörung an den Tag bringen. Freiheit, wir lieben sie; der süße, wonnige Lebensbalsam! Darum aber be-kämpfen wir auch alles, was als Ausgeburt der Sünde in ihr priesterliches Gewand sich kleidet, statt des Rechts die Willkür, statt der Gottesfurcht die Gottlosigkeit. Die Freiheit ist uns allen etwas wert, die von oben stammt, die Freiheit, die er verheißen hat, dem auch der Freiesten Knie sich beugen, der nirgends andere Ketten schuf, als die seligen Bande der Liebe.“

Kirchner schwärmte von der politischen Freiheit und hatte doch Sorge, dass sie missbraucht wird, wenn sie nicht mit Gottesfurcht einher geht. So definierte er die Freiheit anders als die Revolutionäre.

Am 2. April 1848 begrüßte Senior Gerhard Friederich in seiner Predigt begeistert die Abgeordne-ten des Vorparlaments in der St. Katharinenkirche21:

Wie viele Edle aus Deutschlands Volksvertretern haben wir unter uns mit unermesslichem Jubel begrüßt! Welch hohe herrliche Worte, den Ausfluß begeisternder Gesinnungen für das Heil des Va-terlandes, aus ihrem Mund vernommen! … Wir haben binnen wenigen Wochen geistig Jahrhunderte durchlebt. Vor 35 Jahren waren es wohl schöne Tage in Hoffnung und Verheißung einer glänzenden Zukunft, auf die das glaubensmutige Volk vertrauensvoll wartete ... Aber die Blüten welkten... Erst jetzt reift die Frucht zum Segen des wahrhaft freigewordenen deutschen Vaterlandes. Und darüber wollen wir unsere Freude als Menschen, Staatsbürger und Christen nicht laut werden lassen?! Manche könnten erwidern: Hier im Gotteshaus haben nur Raum die hohen Angelegenheiten der Re-ligion. Aber ist nicht die Wiedergeburt des Volkes zum Besseren, sein Erwachen zu Licht und gesetz-licher Freiheit, zu Wahrheit und Recht und hauptsächlich zu gleicher Anerkennung aller religiösen Bekenntnisse die höchste Angelegenheit des geistig und staatlich neugeborenen und dadurch auch sittlich religiös veredelten Menschen? Darum sollen diese Räume widerhallen vom Dank, aber auch von unseren Gelübden für Ordnung, Friede und Recht, Gesetzlichkleit und Liebe zu unserer Obrig-keit. Christus ging uns hier als Vorbild voran. Er nahm gleich uns den wärmsten, tätigsten Anteil an dem Ergehen und den Schicksalen seines Vaterlandes… Euren in der jüngsten Zeit und namentlich in diesen großen Tagen so würdig bewiesenen vaterländischen Gesinnungen, Eurer für das Gesamt-wohl sich aufopfernden Tatkraft danken wir die Zuversicht, daß künftig kein Kastengeist mehr Brü-der gleichen Ursprungs scheidet, daß weder Rang noch Gold, weder Geburt noch Macht zerstörend auf Erhebung und Veredelung des deutschen Stammesgenossen wirke; ihnen danken wir vor allem, daß künftig alle kirchlichen und konfessionellen Vorurteile aufhellen, jener unheilvolle Sektenwahn verschwindet, während die wahre Religion stets strahlend sich entfalte ....“

Begeistert und hoffnungsvoll klang das. Nur mit vorsichtigen Formulierungen wie den „Gelübden für Ordnung, Friede, Recht und Gesetzlichkeit“ oder den „mutigen, aber besonnenen Vertretern“ klingt milde Kritik an der gewalttätigen Seite der Revolution an. Immerhin waren die Barrikaden-kämpfe in Berlin erst zwei Wochen her.

Zu Ostern, am 23. April 1848, hielt er eine Predigt zu Joh. 20, 19-20, „Friede sei mit Euch“.22 Er fordert, mit „christlichen Gesinnungen“ zum Bau der wahren Freiheit des Vaterlandes beizutragen. Grundlagen hierzu seien die Wahrheit, die Gerechtigkeit, der Glaube und die Liebe. Die Wahrheit sieht er in der Vergangenheit unterdrückt, weil die „heiligsten Menschenrechte“, nämlich die freie Meinungsäußerung in Schrift und Sprache sowie „Freiheit der Glaubensforschung“ nicht gegolten hätten. Gerechtigkeit habe nicht geherrscht, weil die Menschen der von Christus gelehrten „heiligs-ten Rechte auf Freiheit und Menschenwürde“ beraubt gewesen seien. „Der Kastengeist bevorzugter Stände – während die Lasten des Staates hauptsächlich vom Volk getragen wurden, dessen unterster Teil in Hunger und Elend schmachtete, war in der Tat kein geeignetes Mittel, der Gerechtigkeit all-gemeine Geltung zu verschaffen.“

Hier äußerte er sich in ähnlichem Sinn wie zuvor, beschrieb aber deutlicher die zur Revolution drängenden Umstände und warnte zugleich schärfer vor den Gewalttätigkeiten der Revolutionäre.

Ebenfalls zu Ostern, am 24. April, predigte Pfarrer Konrad Kirchner in der Weißfrauenkirche über 1. Kor. 5, 8, „Darum lasset uns Ostern halten, nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und der Schalkheit, sondern in dem Süßteig der Lauterkeit und der Wahrheit“23: „In der Natur welche Ruhe bei aller Bewegung! In der Menschenwelt, in der Mitte des unleugbar Anerken-nenswerten, welche Elemente des Aufruhrs und der Verwirrung! Die maßlose, in heftigen Stürmen aufbrausende Gä-rung, aus der sich noch keineswegs ein wahrhaft erquickender und herzerfreu-ender Lebenswein gesondert hat! Die, kaum nachdem sie beschwichtigt waren, wieder auf's neue erhitzten Leidenschaften! Der fast überall aus den Fugen der Ordnung und den Geleisen der Ge-wohnheit geworfene Lauf der Dinge, der bis jetzt umsonst einem allmächtigen Zauberwort entge-genharrt, das da ein Halt! und zugleich ein Wehe da! Gebiete! Das alles stimmt ernst. Aber zwi-schen Ernst und Angst ist ein großer Unterschied. Sollte die Auferstehung aus den fürchterlichsten Banden und des Todes schreckensvoller Hast nicht als ein mächtig emporragendes Wahrzeichen sich erheben, wo der Drang nach Erstehen zu reinerem Licht aller Gemüter sich bemeistert hat, und Völker und Völker von der Sehnsucht ergriffen sind, ihr eigenstes Geburtsfest zu feiern? Nein, ihr Klänge des Sieges und der Unsterblichkeit, ihr dürft nicht verstummen in dem betäubenden Wogen-sturm der Gegenwart!“ Hier war nichts mehr von Begeisterung zu erkennen. Gegen die Wirren der Zeit wird die Glaubensgewissheit als Symbol für eine bessere Zukunft gesetzt. Als Hintergrund muss man die in diesen Tagen gewalttätig aufgebrochene Revolution in Baden sehen.

Eine Woche nach der Eröffnung der Nationalversammlung kam Pfarrer Georg Eduard Steitz in der Alten Nikolaikirche, die an Stelle der Paulskirche als Gottesdienststätte diente, in seiner Predigt am 21. Mai1848 auf das große Ereignis zu sprechen24: „Blicke auf das herrliche Walten Gottes in einer bewegten Zeit. Zwar verheißen gerade diese Wochen neue, glänzende Lichtpunkte in der Nacht, die auf unserm Vaterlande lastet. In unserer altehrwürdigen Stadt, umschwebt von den großen Erinne-rungen der Vergangenheit, deren Vergegenwärtigungen schon das deutsche Herz mit heiligem Ge-fühle bewegt und mit begeisternden Bildern erfüllt, haben sich die Vertreter aller deutschen Stämme und Gaue versammelt. Sie sind bereit, mit Rat, Wort und Tat dahin zu wirken, daß die verjährten Schäden unseres Volkes gehoben, das Geteilte geeint und eine neue würdige Gestalt der Zukunft aus dem ureignen Geist unserer Nation vorbereitet werde. Aber übersteigt nicht das Riesenwerk das Maß menschlicher Einsicht und Kraft? Wird ein völliges Gelingen unsere bangen Sorgen beschä-men, unsere frohen Hoffnungen krönen und die lange schon blutenden Wunden heilen, die eine ver-hängsnisvolle Zeit dem Herzen Deutschlands geschlagen hat? Wir fühlen es deutlich, daß aller Se-gen von oben kommen muß, von dem, der die Menschen wie Wasserbäche lenkt und aus dessen Hand allein mit dem Wollen die Tüchtigkeit des Vollbringens und das frohe, kräftige Gedeihen nie-derströmt. Er gibt den ratlosen Rat, den Verzagten Trost, den schwankenden Sicherheit und Mut, er führt aus dem Dunkel der Zeit auf richtiger Straße zu dem Licht seines Heils.“ In gleichem Sinne hatte er bereits am 12. März 1848 gepredigt25. Steitz teilte wohl die Analyse der Probleme, die zur Revolution führten, und die Hoffnung auf positive Veränderungen mit Friederich. Aber er war viel vorsichtiger, beschrieb die Situation umständlich und vorsichtig und war besorgt, dass die beab-sichtigten Veränderungen die menschlichen Kräfte überfordern. So setzte er, anders als Friederich, seine Hoffnungen vor allem auf Gottes gutes Geleit.

Am 27. Juni 1848 wählte die Nationalversammlung den österreichischen Erzherzog Johann zum Reichsverweser, also zum Oberhaupt des neuen Deutschland. Daraufhin fanden am 6. August in vielen Städten Festgottesdienste statt. In Frankfurt predigte Konrad Kirchner in der Weißfrauen-kirche über 1. Kor. 16,13: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und stark.“26 Und hier begeg-net uns ein ganz anderer: „...Vor wenigen Monden redete ich zu Euch von der wunderbaren Größe des Jahrhunderts, das, plötzlich erwacht, die Hülle des Schlummers von sich warf, von tausend Strömungen durchflutet, ein erhabener, aber auch furchtbarer Anblick! Nun ist's doch besser gewor-den, als die Kleinmütigen fürchteten. Gott war unserer Vaterstadt besonders hold und gnädig! Sie hat bisher ihren Beruf erfüllt … Einen der edelsten Söhne unseres Vaterlandes heißen wir ehr-furchtsvoll, wie es dem wahrhaft Ehrwürdigen geziemt, aber auch herzlich, wie es dem Herzvollen das Liebste ist, in unseren Mauern willkommen. Wir heißen ihn willkommen an dem denkwürdigen Tage, wo vor 42 Jahren sein Bruder die deutsche Kaiserkrone niederlegte. Das Vertrauen eines Vol-kes, das trotz aller Auswüchse und Zeitkrankheiten doch gesund ist, hat einen besonnenen und hochgesinnten Greis erwählt, daß er ein Schirmherr des Rechts und ein Wahrer der Ordnung sei, daß unter seiner Obhut die junge Saat der Neuzeit gedeihe. Das Volk will und wird sein teuer er-rungenes Kleinod behaupten. Daß die Freiheit fest werde und zugleich rein bleibe, dafür will Deutschlands Reichsverweser einstehen. Und nicht der Glanz des fürstlichen Namens, sondern der schlichte, biedere, tüchtige Sinn des Menschen ist uns die beste Gewähr.

Wachet! Wir sind noch nicht am Ziel. Gnädiger Gott! Laß uns die köstlichte Deiner Gaben, die königliche Vernunft, ohne die kein Fortschritt zu hoffen ist, immer mächtiger werden in unserem Volk!

Stehet im Glauben! … Und wenn alle Ketten fielen und alle Schranken stürzten, das brächte die Freiheit noch nicht; sie ist nur möglich, wenn wir Gott stets vor Augen und im Herzen haben ….

Seid männlich und stark! In der Herrschaft über Euch selbst! Dem Ausland gegenüber!“

Hier erleben wir Kirchner begeistert, aber in der Rückbindung an seinen Glauben auch mit einer ge-wissen Sorge und Skepsis. Allerdings gab es auch andere Stimmen. Funck gab ein Flugblatt „Leben und Taten des Kandidaten Hans, kurz beleuchtet vom Kandidaten Fritz“ heraus. Hier konnte man in satirischer Form von der Trauer des Adlers über die Einsetzung des Reichsverwesers und anderer-seits der Freude der Gimpel, Goldammern und Dompfaffen lesen.27

Die Verhandlungen der Nationalversammlung wurden begleitet durch den Krieg, den Holstein und Dänemark um Schleswig führten und in dem sich der Deutsche Bund auf seiten Holsteins mit von ihm entsandten preußischen Truppen beteiligte. Als im August die Preußen weit hinein nach Däne-mark vorgestoßen waren, kam es unter dem Druck von England, Frankreich und Russland am 26.8. 1848 zum Waffenstillstand von Malmö. Nach dem hatten sich die preußischen Truppen sich wieder aus Dänemark und Schleswig zurückzuziehen. Dies wiederum löste in Deutschland eine Welle nati-onalistischer Empörung aus. Die Bundesversammlung des Deutschen Bundes widerrief den Waffen-stillstand und stimmte ihm in einer zweiten Abstimmung dann doch zu. In Frankfurt versammelten sich am 17. September mehr als 10.000 Menschen auf der Pfingstweide zu einer Volksversamm-lung und protestierten. Am 18. September kam es zum sog. Septemberaufstand. Aufständische er-richteten Barrikaden und kämpften gegen die von der Reichsregierung zur Hilfe gerufenen preußi-schen und österreichischen Truppen, die obsiegten. In diesem Zusammenhang wurden die Abgeord-neten Fürst Lichnowski und General von Auerswald ermordet. Im Gegensatz zum Frankfurter Wa-chensturm 1833 handelte es sich hier um einen Volksaufstand, allerdings auch hier wieder mit ge-ringer Beteiligung der Frankfurter selbst. Die Kämpfe dauerten zwölf Stunden, und es verloren 33 Aufständische, darunter 16 geborene Frankfurter, und 62 Soldaten das Leben.

Am 24. September predigte der Religionslehrer an der Musterschule und spätere Gemeindepfarrer Philipp Heinrich Roos über Jak. 1, 19-20: „Darum , liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber, zu reden, und langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist.“28 „Mit einer solchen Sehnsucht nach innerer Ruhe haben wir uns wohl selten an heiliger Stätte zusammengefunden! Welch ein Urteilsspruch ist in unserm Textwort gefällt, wenn wir es an die Ereignisse unserer Tage als Maßstab anlegen. Es weist darauf hin, wie Zorn und Leiden-schaft auch das ursprünglich edelste Gefühl verzerren können zum Fanatismus.

Seid schnell zu hören! Hätten die unglücklichen Verführten, von denen sich wohl mancher ein Held der Vaterlandsliebe, ein Vorkämpfer der Freiheit seines Volks zu sein dünkte, indem er die Hand in das Blut seiner Brüder tauchte, - hätten sie das Wort bedacht1 …

Seid langsam zu reden, langsam zum Zorn! Freie Rede, du Strom, an dessen Ufer auf blühender Aue die Kunst ihre Tempel errichten, aus dessen klarer Flut die Wissenschaft ihr frisches Leben schöpfen, auf dessen ruhigem Wellenschlag selbst die Arche der Kirche sich heben soll: wie kann die Leidenschaft dich wandeln zum empörten Meer! Freie Rede, du Lebensodem des menschlichen Geistes: wie kann der Zorn dich vergiften zum Pesthauch des Todes!

Des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist! Der Zorn konnte nur vollbringen, weil aus manchem Hause die wahre christliche Frömmigkeit gewichen ist. Wie wäre es sonst möglich gewe-sen, daß Menschen für ihren Zorn den Heiligenschein der Begeisterung erborgend, zu Mördern werden konnten? Daß die Ereignisse der letzten Woche und an der oft gepriesenen Bildung un-seres Volkes zweifeln ließen?

Ob es uns ernst ist mir unserem Glauben und unserer Liebe, das können wir in ernster Prüfung gerade jetzt erkennen, wenn wir langsam zum Zorn uns fragen, was ist nun recht vor Gott? Für uns ist die Losung: Vergebung! Selbst wo wir nicht vergessen können! Das Urteil gehört Gott! Uns die Versöhnung!“

Diese Predigten waren politische Predigten. Der Prediger befasste sich mit der aktuellen politischen Situation und verband sie mit der Verkündigung des Evangeliums. Das heißt, er holte zwar den Zu-hörer in seiner derzeitigen Situation ab, nutzte das, um seine eigene politische Meinung mitzuteilen und führte dann doch zu seinen theologischen Aussagen.

Abgesang

Vom Herbst 1848 an zeichnete sich mehr und mehr die Unmöglichkeit des Vorhabens der Paulskir-chenversammlung ab. Ein einiges Deutschland mit den zwei Großmächten Österreich und Preußen, von denen nur eine das künftige Oberhaupt stellen konnte. Freiheit in Ländern, die von Fürsten re-giert wurden, die überhaupt nicht daran dachten, ihre Macht abzugeben. Gleichheit in Ländern, in denen der Adel vielfältigste Privilegien genoss und um deren Erhaltung kämpfte. Brüderlichkeit in Staaten und einer Nationalversammlung, denen die großen sozialen Probleme des beginnenden in-dustriellen Zeitalters noch gar nicht in den Blick kamen. So kam es, wie es kommen musste. Der preußische König lehnte die ihm angetragene Rolle des Kaisers ab, weil er sich als „von Gott“ ver-stand und eine solche Würde von Volkes Gnaden verabscheute. Preußen und Österreich zogen aus-gangs des Winters 1848/49 einfach ihre Abgeordneten ab, mithin 472 von 585, mehr als drei Viertel. Immerhin hatte die Versammlung vorher noch eine Verfassung verabschiedet, an die wir uns heute noch gerne erinnern, weil wir nur einen Teil lesen. Die verbliebenen 113 Abgeordneten bildeten nun das Rumpf-Parlament, obwohl man da von Parlemt nicht mehr reden konnte. Sie wurden dann im Juni 1849 zur Aufgabe gezwungen. Und die evangelischen Theologen? Sie gehörten dazu, waren in den verschiedenen Fraktionen präsent und hatten Anteil an Erfolgen und Misserfolgen. Und das war eine bedeutende Leistung angesichts einer obrigkeitshörigen (Römer 13,1) und mit dem Staat eng verbundenen Kirche. Und die Frankfurter Pfarrer? Sie begrüßten den Aufbruch und die Uiele der Reformer. Aber sie warnten auch frühzeitig vor den Gefahren und hatten damit recht. Aus heutiger Sicht gibt es keinen Anlass zum Jubeln. Aber es gibt genug Anlass, alles jene zu ehren, die damals Großes versuchten und an den Machtverhältnissen der Zeit scheiterten.

1Allgemeine Literatur: Gall, Lothar (Hrsg., 1848 Aufbruch zur Freiheit. Katalog zur Ausstellung in der Schirn. Frankfurt a. M. 1998; Koch, Rainer (Hrsg.), Die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Ein Handlexikon der Abgeordneten der deutschen verfassunggebenden Reichsversammlung. Frankfurt a. M. 1989; Georg Büchner. Revolutionär, Dichter, Wissenschaftler. Katalog zur Ausstellung Mathildenhöhe, Darmstadt. Basel/Frankfurt 1987; Schieder, Theodor, Vom Deutschen Bund zum Deutschen Reich, in Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 15, 4. Aufl. Stuttgart 1979; Stoll, Christoph, Die Paulskirche und die erste Verfassung der Deutschen, Mün-chen 1989; Kersten, Kurt, Die deutsche Revolution 1848-1849, Frankfurt a. M. 1955; Valentin, Veit, 1848: Die Humane Revolution, in: Valentin, Veit, Perspektiven und Profile, Frankfurt a. M. 1965, S. 133 -154; Nipperdey Thomas, Deutsche Geschichte 1800 – 1866, München 1984, S. 272 – 402.

2Weber. Die Revolution im Stadtstaat: Die Freie Stadt Frankfurt am Main 1848-1850, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Bd. 64, Frankfurt a. M. 1998, S. 247-265, hier S. 254.

3Valentin, Veit, Die politischen Parteien in Deutschland, in: Teubners Handbuch der Staats- und Wirtschaftskunde, Bd. II H.1, Leipzig 1924, S.39.

4Valentin, Veit, Perspektiven, S. 133.

5Homrichhausen, Christian R., Evangelische Christen in der Paulskirche 1848/49. Vorgeschichte und Geschichte der Beziehung zwischen theologie und politisch-parlamentarischer Aktivität. Frankfurt am Main/Bern/New Yorck 1985.

6Homrichhausen, Evangelische Christen, S. 27 f.

7Ähnlich: Homrichhausen, Evangelische Christen, S. 57.

8Homrichhausen, Evangelische Christen, S. 115

9Proescholdt, Joachim, Der Staat und das Volk. Evangelische Pfarrer und Theologen in der Frankfurter Nationalver-sammlung, in: Zentgraf, Martin (Hrsg.) Frankfurter Paulskirche 1848-1998, Frankfurt a. M. 1998, S. 31-159..

10Zitiert nach Proescholdt: Staat, S. 58.

11Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 64 f.

12Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 65 f.

13Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 100 f.

14Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 113 f.

15Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 133 f.

16S. auch Homrichhausen, Evangelische Christen, S. 91, 100, allerdings mit einer etwas anderen Bewertung.

17Zitiert nach Proescholdt, Staat, S. 106.

18Zitiert nach Proescholdt: Staat, S. 70.

19Schubert, Die evangelische Predigt, S. 144 f.

20Schubert, Ernst, Die evangelische Predigt im Revolutionsjahr 1848, Gießen 1913, S.63 f; Dechent, B. II, S. 411

21Schubert, Die evangelische Predigt, S.18-20.

22Schubert, Die evanglische Predigt, S. 57-59.

23Schubert, Die evangelische Predigt, S. 64 f.

24Schubert, Die evangelische Predigt, S 20 ff.

25Schubert, Die evangelische Predigt, S. 108, Fußn. 3.

26Schubert, Die evangelische Predigt, S. 31.

27Dechent, Hermann, Kirchengeschichte von Frankfurt am Main, Band II, Leipzig/Frankfurt 1921, S. 415.

28Schubert, Die evangelische Predigt, S. 39 f.

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